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Rückblick: Besuch bei den Handwerkern der Musen in den Werkstätten des Bühnenservice Berlin

Besuch in den Werkstätten des Bühnenservice Berlin am 20.03.2024

Der Geschäftsführer des Bühnenservice Berlin, Herr Suhl, begrüßte die Teilnehmer persönlich und schilderte sehr umfassend die Entstehung des Bühnenservice Berlin und seine Aufgaben. Der Bühnenservice ist der zentrale Werkstattbetrieb der Stiftung Oper in Berlin, die vor 20 Jahren gegründet wurde 2004). Im Jahr 2010 erfolgte die Zusammenlegung der Werkstätten in dem Gebäudekomplex am Ostbahnhof, dem ehemaligen Druckhaus des Verlages Neues Deutschland. Hier werden sämtliche Bühnenbilder und Kostüme der drei Berliner Opernhäuser sowie des Deutschen Theaters und des Theaters an der Parkaue hergestellt. Aber auch die Personalverwaltung und die Buchhaltung der Stiftung sowie die Werkstätten des „Gorki Theater“ sind hier untergebracht.

Die Werkstätten sind Dienstleister der Theater und Opernhäuser, und sie stellen jeweils das her, was die Theater beauftragen. Der Bühnenservice kalkuliert die benötigten Stunden für die Herstellung, aber auch die Materialkosten und Fremdleistungen auf der Grundlage der Entwürfe der Auftraggeber. Sollten nicht genügend Arbeitsstunden beim Bühnenservice zur Verfügung stehen, werden Aufträge an Externe vergeben.

Die Werkstätten des Bühnenservice teilen sich in zwei Zweige auf. Zum einen in die Dekorationswerkstätten, zum anderen in die Kostümwerkstätten. Aufgrund unserer großen Gruppe wurden wir aufgefordert, uns jeweils einer Führung anzuschließen.

Für die Kostümwerkstätten schilderte Frau Hoffmann, die Leiterin der Kostümwerkstätten, die Arbeitsstrukturen und -abläufe  in ihrem Verantwortungsbereich. Die Aufnahme der Arbeit am neuen Standort war zunächst geprägt von den Problemen der Zusammenführung dreier Schneidereien aus den drei Opernhäusern. Waren doch die Schneiderinnen und Schneider plötzlich aus ihren alten Arbeitsabläufen herausgerissen. Im Laufe der vergangenen 10 Jahre gelang es dann wieder nach und nach, eine Einheit der Beschäftigten zu schaffen.

Zur Schneiderei gehören die Damen- und die Herrenschneiderei sowie die Lehrwerkstatt. Hier werden pro Jahr jeweils zwei Auszubildende im Damen- und Herrenfach aufgenommen und drei Jahre lang unter der Leitung erfahrener, langgedienter Gewandmeisterinnen ausgebildet, bevor sie nach bestandener Prüfung in den Arbeitsgruppen der Damen- und Herren-Schneiderei weiterarbeiten können. Probleme mit Nachwuchs hat man nicht, denn die Zahl der Bewerber übertrifft die Lehrplätze um ein Vielfaches.

Von jedem Ensemblemitglied der drei Opernhäuser und dem Deutschen Theater liegen die Körpermaße vor. Dazu zählen natürlich auch die Mitglieder der Opernchöre, die in diesen Häusern auftreten. Das bedeutet bei Stücken wie z.B. Nabucco oder Fidelio, dass eine große Anzahl gleicher Anzüge oder Kleider unterschiedlicher Größen hergestellt werden müssen. Um die Arbeit zu erleichtern, setzen die Gewandmeister/innen schon bei der Herstellung der Schnitte spezielle Computerprogramme ein.

Die Schneidereien bekommen die Stoffe angeliefert. Sie werden von den einzelnen Häusern ausgesucht und auch bestellt. Die dafür Verantwortlichen sind die Kostümbildner und Kostüm-Assistenten.

Neben der Schneiderei gehören zum Bereich der Kostümwerkstätten auch die Abteilungen „Schuhmacherei“, „Hut und Putz“ sowie „Kostümmalerei / Kostümbearbeitung“. In diesem Werkstattbereich befinden sich auch eine Wäscherei, eine Färberei, eine Werkstatt, in die Kostüme oder Kostümteile mit chemischen Mitteln versteift werden, sowie die kleine Rüstkammer.

In der Kostümmalerei werden Stoffe oder einzelne Kostümteile eingefärbt oder bemalt. Um ein historisches Kostüm anzufertigen und mit den passenden Accessoires und Schuhen auszustatten, sind neben dem handwerklichen Können auch profunde Kenntnisse einzelner Moderichtungen und Kunststile erforderlich. Ein Studium in einem der Kunst nahen Fach ist hierfür eine gute Voraussetzung.

Die Hut- und Putzmacherinnen müssen besonders kreativ sein, denn sehr oft kommt es vor, dass die Kostümbildner nur eine Skizze schicken, die als Grundlage für einen Kopfschmuck dienen soll.  Hier müssen die Modistinnen selbst kreativ sein, um – ganz ohne konkrete Vorgaben – ein stimmiges Werk zu schaffen.

Sehr beeindruckend war auch das Leistenlager der Schuhmacherei. Je nach den individuellen Abmessungen und Fußformen der Darsteller werden die Leisten angefertigt, um damit das passende Schuhwerk zu formen.

Der Rundgang durch die Kostümwerkstätten war für alle Teilnehmer ausgesprochen spannend und bis auf eine Teilnehmerin (sie hatte Schneiderin gelernt) völliges Neuland und.

Die Dekorationswerkstätten wurden durch deren Leiter Herrn Kohlsmann vorgestellt.

Die Metallverarbeitung befindet sich in einer langen Halle. Hier werden pro Jahr 160 Tonnen Stahl in Podeste, Brücken, Gerüste, oft fahrbar, ersteigbar auch für Opernchöre wie in Nabucco, zusammengeschweißt. Deshalb ist Präzisionsarbeit zwingend. Gleichzeitig müssen die Gestelle zerlegbar, transportierbar und relativ flexibel einsetzbar sein. Da stehen manchmal bis zu 12 Tonnen auf der Bühne, 12 Meter hoch. Hochachtung für die Leistung der Metallbearbeitungsgruppe in dieser Halle.

Das gilt auch für die Werkstatt der Tischlerei und Holzbearbeitung. Mit außerordentlicher Präzision werden hier Möbel, Häuserwände, Zimmer etc. gebaut. Jeder Wohnstube würdig! Danach betreten wir die Tapezierabteilung. Die Herstellung von Möbeln, Vorhängen, Rauminstallation mit schweren oder leichten Stoffen – eine Kunst mit hohem Anspruch. Was wiederum auch in der Halle der Maler, nein der Kunstmaler zu bewundern war. 15 mal 15 Meter Asphaltboden so malen, dass aufgebrochene Straßenschollen erkennbar sind – welch eine Leistung. Die Wände dieser Halle waren mit großen Kunstwerken behangen, für jeden von uns ein Highlight.

Zwei Stunden sind verflogen, so spannend waren die Erläuterungen von Herrn Kohlsmann.

Die künstlerischen Ansprüche der Opernhäuser werden hier in hochwertige und kosteneffiziente Lösungen umgesetzt, eine Kunst der Vermittlung zwischen Anspruch und Realität.

Zwei Wünsche entstanden im Raum. Zum einen die Wiederholung dieser Veranstaltung im Jahr 2025. Zum anderen wünschen wir uns mehr Würdigung dieser Handwerksleistungen mit so hoher künstlerischer Umsetzung. Schön wäre es, wenn auch in den Opernhäusern und Theatern Veranstaltungen und Ausstellungen über die Künste hinter den Kulissen stattfinden würden. Nicht zu vergessen: die Kosten tragen auch das Land Berlin sowie die Besucherinnen und Besucher.

Wir jedenfalls, die Ingenieure und Ingenieurinnen und der Teilnehmerkreis dieser Führung, werden nun verstärkt die Kulissen, den Fußboden, die Kostüme, die Schuhe beachten und wertschätzen.

Unser herzlicher Dank geht an Frau Hoffmann und Herrn Kohlsmann für die sehr interessanten Führungen  und Herrn Suhl für die ausgiebige Einführung über den Bühnenservice Berlin.

 

Christiane Schnepel, Leiterin AK Besichtigungen                       

Horst Marczinske, Orga-Team AK Besichtigungen

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